Aufgrund der nachgewiesenen positiven Effekte von Achtsamkeit und Selbst-/Mitgefühl auf die psychische Gesundheit arbeite ich diesbezüglich gleich mit zwei Zugängen: Mindful Self-Compassion sowie Compassion Focused Therapy.
Ich lasse sowohl theoretische Aspekte als auch spezifische Übungen aus beiden Ansätzen in meine therapeutische Arbeit einfließen. Die Kombination aus Theorie und Praxis von Selbstmitgefühl ermöglicht einerseits mehr Verständnis für das eigene Erleben und andererseits mehr Selbstakzeptanz, Selbstfürsorge und innere Stabilität.
Beiden Zugängen habe ich mich bereits im Rahmen meiner psychotherapeutischen Ausbildung gewidmet. Gemeinsam mit den Inhalten aus meinen Achtsam Essen Ausbildungen habe ich ein eigenes Konzept für die gruppentherapeutische Arbeit bei Essstörungen entwickelt und darüber auch meine Abschlussarbeit geschrieben.
Eine Zusammenfassung dieser Arbeit ist 2016 als Artikel mit dem Titel „Erweiterung des inneren Teams um das achtsame Selbstmitgefühl in der systemischen Arbeit mit Gruppen“ in den Systemischen Notizen der Lehranstalt für Systemische Familientherapie erschienen.
In der Literatur gibt es kein einheitliches Konzept für die Beschreibung bzw. das Verständnis von Mitgefühl. Die am meisten zitierte Definition stammt vom Dalai Lama:
„Mitgefühl ist die Empfindsamkeit gegenüber dem eigenen Leid und dem anderer Menschen mit einer tiefen Hingabe, dieses zu lindern“.
Mindful Self-Compassion (MSC) ist ein evidenzbasiertes Programm von Dr. Christopher Germer und Dr. Kristin Neff zur Kultivierung von Selbstmitgefühl mit dem Ziel, Selbstmitgefühl als innere Ressource zu etablieren. Dadurch können wir jene emotionale Resilienz entwickeln, die wir alle benötigen, um die Herausforderungen des täglichen Lebens sicher bewältigen zu können.
Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass…
… Sie sich in schwierigen Zeiten die größten Stolpersteine selbst in den Weg legen, indem Sie sich in der ohnehin schon leidvollen Situation auch noch kritisieren, verurteilen oder mit Schuld- und Schamgefühlen quälen?
Was wäre, wenn…
… Sie einen Zugang zu mehr Herzenswärme und Freundlichkeit finden könnten, um sich dem eigenen emotionalen Schmerz wohlwollend zuzuwenden, sich zu trösten und gut für sich zu sorgen, eben weil Sie gerade leiden?
So wie Sie es bei einem geliebten Menschen ganz natürlich tun würden, wenn er sich gerade schlecht fühlt oder an sich selbst zweifelt.
Diesen verständnisvollen, fürsorglichen und freundlichen Umgang mit sich selbst in schwierigen Momenten nennt man Selbstmitgefühl.
... damit wir uns das geben können, was wir wirklich brauchen. Wir reagieren verständnisvoll und warmherzig auf Schwierigkeiten und Rückschläge in unserem Leben, ohne uns dafür zu verurteilen oder zu kritisieren.
... lässt uns spüren, dass wir mit unseren Schwierigkeiten nicht alleine sind. Wir machen uns bewusst, dass alle Menschen machmal Fehler machen, scheitern oder leidvolle Erfahrungen durchleben.
... ermöglicht uns, die Wellen des Lebens mit mehr Leichtigkeit und Akzeptanz zu bewältigen. Achtsamkeit hilft uns, schwierige Erfahrungen mit Gleichmut anzunehmen, statt unseren Schmerz zu ignorieren oder uns darin zu verlieren.
Mit Achtsamkeit ist eine bestimmte Qualität unserer Aufmerksamkeit gemeint, die von Jon Kabat-Zinn (dem Begründer des MBSR = Mindfulness Based Stress-Reduction, Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) beschrieben wird als:
„Bewusstheit im gegenwärtigen Moment ohne zu urteilen“
Achtsamkeit hilft uns, uns der Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen im Hier und Jetzt bewusst zu werden. Und sie ist gleichzeitig auch die Grundlage, auf der wir Selbstmitgefühl aufbauen.
Umfangreiche Studienergebnisse bestätigen, dass Selbstmitgefühl ein bisher unterschätztes präventives Potential für unsere psychische Gesundheit hat, indem es:
Die gute Nachricht:
Selbstmitgefühl kann jede/r erlernen, auch jene Personen, für die es sich unangenehm anfühlt, freundlich zu sich selbst zu sein. Sogar Menschen, die in der Kindheit wenig Liebe und Mitgefühl von anderen erfahren haben, können Selbstmitgefühl erlernen und dadurch ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit in sich selbst entwickeln.
Die Compassion Focused Therapy (CFT, zu deutsch: Mitgefühls-fokussierte Therapie) wurde von Prof. Paul Gilbert ursprünglich für Menschen entwickelt, die unter ausgeprägter Selbstkritik, Scham sowie niedrigem Selbstwert leiden.
Mittlerweile hat sich dieser Psychotherapie-Ansatz für die Behandlung von verschiedenen psychischen Problemen und Störungen als wirksam erwiesen, unter anderem bei:
Die Wurzeln des CFT-Modells gehen auf die Evolutionspsychologie, die Bindungstheorie und affektive Neurowissenschaften zurück. Daraus hat sich ein Modell der Emotionsregulation abgeleitet, das in der CFT eine zentrale Komponente darstellt. Zudem werden Elemente aus der kognitiven Verhaltenstherapie sowie buddhistischen Psychologie integriert.
Paul Gilbert beschreibt Mitgefühl nicht als Emotion, sondern als Motivationssystem, das sich entwickelt hat, um negative Gefühle zu regulieren, indem man wohlwollend auf unangenehme Gefühle (eigene und die anderer Menschen) eingeht und dabei Wärme und Sicherheit vermittelt.
Um Mitgefühl zu empfinden, müssen wir zunächst bereit und in der Lage sein, uns für das eigene Leid oder das Leid anderer Menschen zu öffnen und uns davon berühren zu lassen.
Dies führt in weiterer Folge (idealerweise) zur Motivation und Entschlossenheit, alles zu tun, was möglich ist, um das Leid zu lindern oder in Zukunft zu verhindern.
Belässt man es lediglich bei der 1. Komponente, nämlich dem Mitleid(en), kann dies bei wiederholter Konfrontation empathischen Stress verursachen. Dabei erlebt man immer wieder starke negative Gefühle, was auf Dauer zum Burnout führen kann.
Erst in Kombination mit der 2. Komponente werden andere Netzwerke im Gehirn aktiviert, die uns positive Gefühle erleben lassen und von daher eine schützende Wirkung haben.
In der CFT werden ausgehend von drei Emotionsregulationssystemen (siehe unten) spezifische Übungen vermittelt, um nötige Fähigkeiten für beide Komponenten zu erlernen. Darüberhinaus schafft ein wohlwollender Blick auf die eigene Geschichte mehr Verständnis dafür, wie diese drei Systeme durch frühe Erfahrungen geprägt wurden und unsere weitere Entwicklung beeinflusst haben. Dies wiederum hilft, Selbstkritik und Scham zu reduzieren und ermöglicht stattdessen mehr Selbstakzeptanz sowie Selbstmitgefühl.
Zur Regulation unserer Emotionen stehen uns laut CFT – sehr vereinfacht dargestellt – drei wesentliche Systeme zur Verfügung:
Das Bedrohungssystem
… wird bei wahrgenommener Gefahr aktiviert und löst eine Kampf-Flucht-Reaktion aus. Damit einhergehende Emotionen sind z.B. Angst, Ärger, Ekel.
Das Antriebssystem
… motiviert uns, uns Ressourcen zu verschaffen und ist mit Streben nach Macht, Erfolg und Materiellem verbunden. Wir sind zielstrebig, ehrgeizig, fokussiert.
Das Fürsorgesystem
… ermöglicht uns, ein Gefühl von Zufriedenheit, Geborgenheit und Vertrauen zu empfinden sowie anderen zu vermitteln, wodurch zwischenmenschliche Bindungen gefördert werden.
Psychotherapeutische Praxis
in 1220 Wien
Kratochwjlestraße 12/Turm2/2B